Esquire Deutschland, Primavera 2021

 


British Romance 

In der Literaturverfilmung  Little Women spielte er an der Seite von Emma Watson den treuen Ehemann.  Demnächst ist er als Alpha-Macho-Arschloch  und als pansexueller Posh-Boy zu sehen. Der englische Schauspieler und Filmproduzent JAMES NORTON steckt  voller Überraschungen und voller Worte der Liebe. Ein Gespräch über das  Verfallsdatum von Romeos, Online-
Dates und wackelnde Büsche.  
Foto Charlie Gray
Styling Fabio Immediato
Interview Dominik Schütte 


James, wir wollen mit Ihnen über die Liebe sprechen.
Gern. Die Liebe ist das Größte.

Was war das Dümmste, das Sie je aus Liebe getan haben?
48 Stunden ohne Schlaf, Hunderte von Meilen mit dem Auto durch einen Schneesturm in Kanada zu fahren, nur, um kurz bei einer Frau zu sein. Ich weiß nicht, was schwerer war: meine Augenlider oder die Lastwagen, die mich links und rechts überholten. Ich hätte sterben können. Sie fand es super romantisch.

Es funkte auch keine Ausgangssperre dazwischen. Die Pandemie hat viele Paare unfreiwillig räumlich getrennt, frisch verliebte Teenies durften sich oft nicht sehen. Sie sind auch Filmproduzent: Steckt da Potenzial für eine Romeo-und-Julia-Story drin?
Die Liebenden, die nicht zueinanderdürfen – die pathetischste aller Liebesgeschichten. Ich habe tatsächlich schon darüber nachgedacht. Für die Hauptrolle würde ich aber jemand Jüngeren casten, meine Tage als lieblicher Romeo sind vorbei.

Ihre Partnerin, die Schauspielerin Imogen Poots, lebt in den USA, Sie in England. Konnten Sie während des Lockdowns zusammen sein?
Ja, in London. Nach drei Jahren Fernbeziehung war das für uns eine wichtige Erfahrung. Wir sind beide in den 30ern, da stehen ein paar große Entscheidungen in der Beziehung an, und es gibt kein Entkommen mehr, wenn man sich monatelang am selben Ort aufhalten muss. Das kann ganz schön ernüchternd sein. Uns hat diese Zeit zusammengeschweißt, wir haben uns sogar zum Klischee-Paar entwickelt: Tomaten gepflanzt, gemeinsam gemalt und Brot gebacken.

Wie war es beim zweiten Lockdown?
Sie war in New Mexico, ich in London. Dahabe ich meine Sachen gepackt, bin zu meinen Eltern nach Yorkshire gefahren und habe mich um sie gekümmert. Sie hatten beide gesundheitlich zu kämpfen. Diese elterliche Liebe zu spüren ist für mich auch als Erwachsenen immer wieder
eine schöne Erfahrung. Es war auch
erstaunlich harmonisch zwischen uns.

Viele Menschen sorgen sich, ob
sie das überhaupt noch können: lieben.

Diese Sorge teile ich nicht. Wenn überhaupt, ist das Leben kleiner geworden und intimer. Uns ist bewusst geworden, dass wir Gemeinschaftswesen sind. Das Leben findet einen Weg, die Liebe sowieso. Ich gehe oft laufen in London und muss sagen, selten hatte ich das Gefühl, dass im Gebüsch so viel rumgemacht wird. Und ähnlich wie sich die Anspannung der vergangenen Monate für uns alle eines Tages in einer gewaltigen Party entladen wird, werden Teenies jeden verpassten Kuss und jedes einzelne Gefummel nachholen.

Wann waren Sie zum ersten Mal verliebt?
Ich erinnere mich, dass ich im College völlig aufgefressen wurde von Verliebtheit. Es begann mit einem schrecklichen Date, bei dem alles schiefging. Auf dem Weg dorthin fuhr ich aus Versehen jemanden mit dem Fahrrad an, und weil sie in einem Wohnheim für junge Frauen lebte, musste ich mich wie ein Gauner hineinschleichen. Auf ihrem Zimmer küssten wir uns zum ersten Mal. In der Nacht wurden alle Haupttüren verriegelt, also bin ich die Regenrinne runtergeklettert, auf den Boden geknallt und mit einem Lied auf den Lippen nach Hause gehumpelt.

Ist was daraus geworden?
Wir waren fünf Jahre zusammen. Ich bin wohl das, was man „seriell monogam“ nennt. Lange Single, aber wenn in einer Beziehung, dann mit jeder Faser.

Immer mehr Menschen daten sich online. Schon ausprobiert?
Nie, aber viele meiner Freunde haben auf diesem Weg ihr Glück gefunden. Online-Dating ist ein derart integraler Bestandteil moderner Gesellschaften, dass mir mein Mangel an Erfahrung vor allem eines vor Augen führt: mein Alter. Ein bisschen neidisch bin ich auch. Ich stelle mir das irre bequem vor. Als Teenager war ich seltsam und schüchtern. Mein Liebesleben wäre mit Tinder bestimmt besser gelaufen.

Was soziale Netzwerke angeht, sind Sie dagegen sehr kritisch.
Social Media erwürgt die Menschen meiner Meinung nach. Man ist plötzlich zwei Personen, eine davon ist eine Illusion. Dieser ambivalente Zustand macht ja schon viele Profis kaputt, auch Schauspieler. Und nun soll jeder damit klarkommen, auch sehr junge, teils instabile Menschen. Ich bin heilfroh, dass mir der Albtraum Instagram in meiner Jugend erspart geblieben ist.

Wir leben im Jahr 2021, doch viele Länder verbieten Menschen immer noch, jenseits der Heteronormativität zu lieben. Sie haben einen Brief an die polnische Regierung
unterschrieben, der die LGBTQIA+-
feindliche Politik verurteilt.


Und ich würde es jederzeit wieder tun. Nichts macht mich wütender als die Tatsache, dass autoritäre Regime Andersdenkende und Andersliebende unterdrücken. Dann auch noch im Namen der Religion – einer Institution, die im Kern für die Liebe steht.

Im Psychothriller Things Heard and Seen, der Ende April auf Netflixerscheint, spielen Sie neben Amanda Seyfried einen überprivilegierten, hinterhältigen, bösartigen Kerl. Was hat Sie daran gereizt?

Ich vergleiche mein Leben gern mit dem meiner Rollen: Wo kreuzen sich die Wege? Jeder weiß, was Eifersucht und Angst mit einem anstellen. Die Frage ist, ob man sich dagegenstemmt. George lässt sich von seiner toxischen Energie verzehren. Also ja, er ist ein Monster. Man muss dazusagen, dass der Film in den 1980er-Jahren in Upstate New York spielt. In höheren Kreisen. Ein junger Mann wurde damals auch dazu erzogen und gesellschaftlich darin unterstützt, ein Alpha-Macho zu sein. Die damalige Gesellschaft schuf gefährliche Menschen. Genau gesagt: gefährliche Männer.

Was steht sonst an bei Ihnen?
In The Nevers, einem viktorianischen
HBO-Epos, spiele ich einen pansexuellen Posh-Boy, der einen satanischen Orgienclub betreibt. Da geht's also weniger um die Liebe als ums Vögeln.

Gibt es ein Kleidungsstück, das Sie lieben. Also: lieben.
Ich mag Mode wirklich gerne. Aber, hm, in dem Kontext ist Liebe schon ein großes Wort. Jedenfalls: Ich habe seit Ewigkeiten diesen Mantel von Belstaff. Ein Klassiker, er passt zu allem und kommt überallhin mit. Als Belstaff von meinem treuen Begleiter erfuhr, fragten sie mich, ob wir ihn neu auflegen wollen. Ein absolut tolles Teil. Doch, jetzt lege ich mich fest: Es ist Liebe.


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